Real-Life Struth: Im Inneren des fliegenden Observatoriums SOFIA

Vor einigen Jahren habe ich in Essen im Museum Folkwang die Ausstellung „Thomas Struth. Nature & Politics“ gesehen, in der neuere Werke dieses bedeutenden Vertreters der Düsseldorfer Fotoschule (d.h. Schüler von Bernd und Hilla Becher) zu sehen waren. Eine der dort gezeigten großen Fotografien war betitelt als „GREAT, Armstrong Hangar, Palmdale“ (2014). Zwar mag der Titel etwas kryptisch klingen, aber das abgebildete Objekt war für mich sofort zuzuordnen: Es handelt sich um eine Innenansicht des fliegenden Observatoriums SOFIA, konkret ein Blick auf die wissenschaftlichen Instrumente, die direkt an das Spielteleskop angebaut sind, welches das Kernelement von SOFIA darstellt.

SOFIA, das „Stratospheric Observatory For Infrared Astronomy“, ist eine amerikanisch-deutsche Forschungskooperation und der deutsche Beitrag wird vom Deutschen SOFIA Institut koordiniert, welches an der Universität Stuttgart beheimatet ist. SOFIA selbst, also das Observatorium, besteht aus einer speziellen umgebauten Boeing 747, aus der heraus mittels eines großen Spiegelteleskops astronomische Beobachtungen im infraroten Spektralbereich durchgeführt werden können, konkret aus großen Flughöhen (in der Stratosphäre), womit die starke Infrarotabsorption der Erdatmosphäre, welche Infrarotastronomie auf der Erdoberfläche drastisch erschwert, zu einem großen Teil umgangen wird. Die Beobachtungsflüge von SOFIA starten normalerweise von Palmdale (Kalifornien) aus, wo die NASA den Armstrong Hangar betreibt, in dem auch SOFIA untergebracht wird. Offensichtlich hat Thomas Struth sein Foto dort aufgenommen, was einen Teil des Titels erklärt. Der andere Teil, „GREAT“, hat damit zu tun, was in der Mitte des Bildes zu sehen ist, nämlich das Instrument, mit dem die vom großen Spiegelteleskops (welches auf dem Foto nicht zu sehen ist) gesammelte Infrarotstrahlung tatsächlich detektiert wird. GREAT steht dabei für „German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies”, den Namen dieses Gerätes.

Im September 2019 stattete SOFIA dem Stuttgarter Flughafen einen Besuch ab und bei dieser Gelegenheit konnte ich auch an einer Führung durch das Observatoriums teilnehmen. Hier nun mein Handy-Schnappschuss von einer ähnlichen Position wie jene, von der Thomas Struth sein Foto aufnahm:

Im Inneren des SOFIA-Observatoriums: Blick auf das HAWC+-Instrument, welches an das Teleskop angekoppelt ist. (Das eigentliche Spiegelteleskop befindet sich hinter der „Wand“ und ist in der blauen Konstruktion aufgehängt.)

Wie bei „GREAT“ erkennt man die unverkleidete Flugzeugwand in diesem Teil der Boeing 747 und die zahlreichen Kabel. Es gibt aber auch einen großen Unterschied, nämlich das montierte Messgerät: Zwar benutzt SOFIA immer dasselbe Spiegelteleskop von 2,5 Meter Durchmesser, aber daran können insgesamt sieben verschiedene Messgeräte (Spektrometer und Kameras für Infrarotstrahlung) angeschlossen werden. Im Fall von Thomas Struths Bild ist dies „GREAT“, wohingegen SOFIA beim Besuch in Stuttgart ein anderes Messgerät installiert hatte, nämlich „HAWC+“, was für „High-resolution Airborne Wideband Camera Plus“ steht. Dieses Messgerät erlaubt als Besonderheit Untersuchungen zur Polarisation der Infrarotstrahlung, was wiederum Rückschlüsse auf die Magnetfelder in den astronomischen Strahlungsquellen erlaubt. Statt „GREAT, Armstrong Hangar, Palmdale“ hieße es bei mir also „HAWC+, Flughafen Stuttgart, Stuttgart“.

Geräte-Rack von HAWC+ (High-resolution Airborne Wideband Camera Plus).

Persönlich fand ich es interessant, dass unter der Mess- und Steuerelektronik für HAWC+ einige Geräte zu finden sind (u.a. Temperature Controller) von denen wir dieselben Modelle auch bei unseren eigenen Tieftemperaturexperimenten einsetzen. Aber dies spricht nur dafür, dass die Entwickler von HAWC+ in den USA gerne dieselben Messgeräte (von denselben Herstellern) benutzen wie wir, was bei High-End-Forschung nicht weiter überrascht.

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