Agnes Martin (Düsseldorf, 2015/16)

K20AgnesMartinAusstellung: „Agnes Martin“

Wo: K20, Düsseldorf

Wann: 7.11.2015 – 6.3.2016

Link: https://www.kunstsammlung.de/entdecken/ausstellungsarchiv/ausstellungen-2015.html

Eintritt: 12€/10€

Katalog: Der Katalog kostet in der Ausstellung 38€, im Buchhandel 45€ (jeweils gebunden). Mein erster Eindruck des Katalogs war positiv: Interessant gemachtes Buch mit unterschiedlichen Papiersorten für Text- bzw. Bildteile. Aber leider gibt es aus meiner Sicht auch deutliche Schwachstellen: Die Abbildungen geben keinen guten Eindruck der Werke von Agnes Martin. Auch wenn die Farbwiedergabe dieser fein abgestuften, hellen Kunstwerke eine große Herausforderung für Fotografen und Drucker ist, hätte ich ein besseres Ergebnis erwartet. Und dass von einem Herzstück der Ausstellung, dem zwölfteiligen Gemäldezyklus „Islands“ lediglich ein einziges Gemälde großformatig abgebildet ist (und dieses in wirklich schlechter Qualität), plus ein Foto einer Ausstellungssituation auf dem acht der zwölf Werke zu sehen (bzw. eher nur zu erahnen) sind, finde ich für eine so aufwändige Ausstellung und einen ebenso aufwändigen Katalog recht schwach. Ebenso, dass in der Liste der Werke in der Ausstellung nicht vermerkt ist, welche Arbeit bei welcher Station der Ausstellungstournee (London, Düsseldorf, Los Angeles, New York) zu sehen ist, sondern nur eine Art Disclaimer, hilft mir als Besucher und Katalogleser wenig.

 

Über die Ausstellung:
Agnes Martin (1912-2004) hat sich seit den 1950er Jahren in den USA einen Namen unter den progressiven, abstrakten Künstlern gemacht, die in der Kunstgeschichte in den Kategorien color field painting, concrete art oder op art vermerkt werden, auch wenn sich Agnes Martin nicht direkt einer dieser Richtungen zuordnen lässt. Gemälde von Agnes Martin finden sich in den USA in den Sammlungen der großen Museen, aber in Europa ist sie deutlich weniger präsent – obwohl sie bereits 1972 auf der documenta 5 vertreten war und 1997 den Goldenen Löwen der Biennale von Venedig für ihr Lebenswerk erhielt. Die aktuelle, große Ausstellung ist die erste Retrospektive nach dem Tod von Agnes Martin und sie versucht, ihre bedeutende Rolle für die Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich zu zeigen und sie auch in Europa einem breiteren Publikum vertraut zu machen. (Die Ausstellung war zunächst in der Tate London zu sehen und nach Düsseldorf folgen noch das LACMA (Los Angeles) und das Guggenheim in New York als Stationen).
Die Düsseldorfer Ausstellung ist mit über hundert Werken (vorrangig Gemälde, aber auch kleinformatige Werke auf Papier sowie einige wenige frühe dreidimensionale Arbeiten) recht umfangreich, wobei die Arbeiten auch großzügig gehängt sind. Die Ausstellung ist im Wesentlichen chronologisch gehängt, so dass sich die künstlerische Entwicklung von Agnes Martin gut verfolgen lässt.

Die Werke, für die Agnes Martin besonders bekannt ist, nämlich große quadratische Leinwände, auf denen mit Bleistift zart gezeichnete regelmäßige Linien oder Raster mit verschiedenen zarten Färbungen kombiniert sind, sind in großer Zahl zu finden. Durch die sehr weiträumige Präsentation und transportable Hocker in der Ausstellung kann der Besucher – wie von Agnes Martin gewünscht – vor den Werken verweilen und diese in Ruhe auf sich wirken lassen: Zumindest bei meinem Besuch an einem Sonntagnachmittag war die Ausstellung definitiv nicht überfüllt. Die meisten Gemälde werden ohne Glas präsentiert, was der ungestörten Wahrnehmung sehr entgegenkommt.

Kunst + Physik:
“Echte Physik“ habe ich in der Ausstellung kaum gefunden, im etwas weiteren Sinne aber doch einiges. Bei Agnes Martin geht es häufig um regelmäßige Strukturen im zweidimensionalen Raum sowie im Farbraum, der hier von unterschiedlichen Weißabstufungen dominiert wird. Und regelmäßige Strukturen oder Muster, welcher Form auch immer, gehören natürlich zu den Denkweisen, derer sich auch Physiker gern bedienen. Somit können viele Arbeiten von Agnes Martin gerade „wie Physiker denkende“ Besucher besonders ansprechen. Ihre Arbeiten sind dabei bei weitem nicht so offensichtlich regelmäßig mathematisch konstruiert wie jene vieler Vertreter der geometrischen oder der konkreten Kunst, sondern vergleichsweise subtil – was ich persönlich besonders interessant finde.

Was man als Kunst+Physik-Interessierter aber auf keinen Fall übersehen sollte: Die frühe Arbeit „The Wave“ (1963), eine der wenigen echt dreidimensionalen Arbeiten dieser Ausstellung, die obendrein recht unscheinbar in einer Vitrine liegt – und von Agnes Martin ursprünglich als Kinderspielzeug konzipiert war.

Persönliche Einschätzung:
Die Ausstellung versammelt eine wirklich beeindruckende Anzahl von Werken von Agnes Martin und erlaubt somit einen umfangreichen Einblick in ihr Schaffen. Angesichts der Tatsache, dass sie in Deutschland immer noch nicht Teil des Kunst-Mainstreams ist, ist dies eine lobenswerte Sache. Ich habe mir beim Besuch viel Zeit genommen und mich ruhig auf die verschiedenen Werke eingelassen und wurde dann auch nicht enttäuscht. Für weniger gelassene oder weniger ausdauernde Betrachter hingegen mag diese recht große Ausstellung sich wiederholend erscheinen. Leider konnte mich hierbei das Begleitheft, das einen als Besucher durch die Räume der Ausstellung führen soll und auch einzelne Werke bespricht, nicht immer überzeugen, da die dort beschriebene Herangehensweise zur Betrachtung einzelner Bilder nicht recht mit meiner eigenen überein stimmte.

Tip für den Besuch:
Gelassen in die Ausstellung gehen und sich Zeit lassen beim Betrachten der Bilder! Wenn sie einem etwas sagen, so können sie einem sehr viel sagen. Wenn man hingegen keinen Gefallen an hellen Quadraten mit Linien und Streifen hat, dann sollte man einfach nach dem letzten Saal der Sonderausstellung in die ständige Sammlung des K20 weitergehen – und unter den dortigen Meisterwerken von Picasso, Matisse, Kandinsky, Klee, Beckmann, Schwitters, Miro, Chagall, Mondrian, Dali… sollte wirklich für jeden etwas dabei sein!

Persönliche Favoriten:
Viele Werke von Agnes Martin sind sich recht ähnlich und haben obendrein vergleichsweise unanschauliche Titel, so dass es erstens schwer und zweitens nicht sonderlich hilfreich ist, hier eine Liste von Lieblingswerken anzugeben. Deshalb hier nun besonders „außergewöhnliche“ Werke, die mir gefallen haben

  • „The Wave“ (1963).
  • „Falling Blue“ (1963).
  • „A Grey Stone“ (1963), leider nicht im Katalog abgebildet.
  • „Untitled #12“ (1981), bei der die Farbabfolge der einzelnen horizontalen Linen besonders komplex ist.
  • Die zwölf großen Gemälde „The Islands I-XII“ (1979), die an einer sehr langen Wand nebeneinander hängen.