Kosmos – Rätsel der Menschheit (Zürich 2014/15)

Ausstellung: „Kosmos – Rätsel der Menschheit“

Wo: Museum Rietberg, Zürich

Wann: 12.12.2014 – 31.5.2015

Link: https://rietberg.ch/ausstellungen/kosmos#/

Eintritt: CHF 18 / CHF 14

Katalog: „Kosmos – Weltentwürfe im Vergleich“; im Buchhandel 29 €; in der Ausstellung 34 CHF.
Der Katalog übernimmt in weiten Zügen die Einteilung der Ausstellung in einzelne Kapitel für unterschiedliche Kulturen und ist somit auch kapitelweise einfach zu lesen. Es werden aber bei weitem nicht alle der in der Ausstellung gezeigten Objekte im Katalog abgebildet oder aufgelistet (und es sind einige Objekte abgebildet, die nicht in der Ausstellung zu sehen sind). Somit gibt dieses Buch nur einen bruchstückhaften Eindruck der visuellen Vielfalt der Ausstellung wider und ist aus meiner Sicht eher als Begleitbuch denn als Katalog zu bezeichnen.

 

Über die Ausstellung:
Quer über den Erdball haben sich die unterschiedlichsten Kulturen mit dem Thema „Kosmos“ befasst: Was ist unsere „Erde“, unsere Lebenswelt? Ist sie in etwas Größeres eingebettet? Wo lassen sich Gott, Götter, mythologische Wesen verorten? Wie ist die Welt entstanden oder wie wurde sie erschaffen? Diese Fragen werden für 13 Kulturen (Jainismus, Hinduismus, Buddhismus, China, Polynesien, Dogon, Yoruba, Germanen, Mesopotamien, Nordwestküste Nordamerikas, Maya, Ägypten, Islam, Europa) beispielhaft dargestellt: Es gibt jeweils eine Einführungstafel mit einer kurzen Darstellung der jeweiligen „Weltenvorstellung“ und dann eine Reihe von ausgestellten Originalobjekten, die einzelne der Aspekte veranschaulichen (sollen). Viele dieser Objekte stammen aus der Sammlung des Museum Rietberg, aber es kommen auch Leihgaben aus diversen anderen westlichen Sammlungen hinzu. An Audiostationen kann der Besucher Originaltexte der verschiedenen Kulturen anhören. Am Beginn/am Rande der eigentlichen Ausstellung werden Videoprojektionen gezeigt, die den aktuellen Wissensstand der Astrophysik zum Universum darstellen.

Kunst + Physik:
„Kosmos“ als Fragstellung ist Teil der physikalischen Forschung. Die sich damit befassende „Kosmologie“ gehört zur Astrophysik und ist weit über Physikerkreise hinaus populär und findet sich auch regelmäßig in allgemeinen Medien wieder. Deshalb ist diese Ausstellung aus Physikersicht sehr interessant, denn im Gegensatz zu vielen anderen „Physikerthemen“ hat sich die Menschheit quer über den Erdball intensiv mit dem „Kosmos“ auseinandergesetzt und natürlich ganz andere Antworten gefunden als die moderne Naturwissenschaft. Dieses im Hinterkopf zu haben, kann für jeden Physiker, der sich mit nicht-Physikern unterhält, sehr hilfreich sein.

Und die Videoprojektionen zu moderner Astrophysik und Kosmologie sind Naturwissenschaft pur.

Persönliche Einschätzung:
Die Ausstellung verfolgt ein sehr ambitioniertes Ziel und ich finde es toll, dass sich das Museum Rietberg an dieses Thema „Kosmos“ heranwagt. Die „Zielgruppe“ für diese Ausstellung ist sehr breit gefächert und somit ist es schwer, es allen recht zu machen. Ich jedenfalls habe die Ausstellung nicht rundum zufrieden verlassen, aber vielleicht bin ich als Berufsphysiker in diesem Kontext auch besonders schwer zu beeindrucken.

Die 13 Sektionen unterschiedlicher Kulturkreise sind in ihrer Qualität sehr uneinheitlich: Während für einige davon Objekte gezeigt werden, die die im jeweiligen Einführungstext erläuterten Konzepte/Fragestellungen sehr klar erkennbar darstellen, erscheinen mir andere als eher gemischte Ansammlung von Objekten mit „religiösen“ Aspekten. Die Informationen werden meist über Texte vermittelt und mir fiel das Übertragen auf die visuelle Erscheinung der ausgestellen Ojekte in mehreren Bereichen schwer. Insbesondere, weil es zu den einzelnen Objekte nur minimale, teils fachwörterlastige Beschriftungen ohne spezifische Erläuterungen gibt, die das jeweilige Objekt in den „Kosmos-Kontext“ einbetten würden.

Außerdem ist die Vielfalt der dargestellten Kulturen natürlich enorm: Ich habe mich (als „erfahrener Museumsbesucher“) bei mehreren der Kulturkreise nicht gut genug ausgekannt, um aus den gezeigten Objekten „die gewünschte Erkenntnis“ mitzunehmen. Somit bleibt bei mir einerseits der Gesamteindruck, dass es über die Erde verteilt eine große Vielfalt kosmologischer Vorstellungen gibt, wobei ich aber nicht bei allen hier präsentierten erkannt habe, wie sich diese in den materiellen Dokumenten widerspiegelt. Andererseits fand ich einige der Bereiche sehr gut dargestellt – vor allem die, bei denen ich eh schon ganz gut wusste, wie die Vorstellungen waren (antikes Ägypten, Islam, Europa).

Die Videoprojektionen zur aktuellen Lage der Astrophysik in Bezug auf „Kosmos“ sind von naturwissenschaftlicher Seite sehr gut gemacht und wären/sind in dieser Form auch in Planetarien etc. zu finden. Auch die Sprache ist hier voll und ganz naturwissenschaftlich, so dass ich mich als Physiker „zu Hause“ fühle, mir dabei aber der deutliche Unterschied zum Rest der Ausstellung sehr bewusst wird. Insofern erscheinen mir diese Videos etwas zusammenhanglos zum Rest der Ausstellung und könnten für Besucher ohne Astrophysik-Affinität inhaltlich schwer verständlich sein, trotz der visuellen Faszination moderner Teleskopaufnahmen oder Simulationen.

Das ist mein persönlicher „Physiker-Eindruck“. Damit will ich die Ausstellung aber nicht abwerten. Man kann dasselbe nämlich auch anders formulieren: Es ist „für jeden“ etwas in der Ausstellung dabei, für Interessenten an „Völkerkunde“ ebenso wie für solche an der europäischen Kulturentwicklung oder moderner Astrophysik.

Also: Schaut euch die Ausstellung an und macht euch selber einen Eindruck!

Tip für den Besuch:
Plant reichlich Zeit ein, es gibt sehr viel zu lesen, anzuhören und zuzuschauen! Zwar ist die Ausstellungsfläche nicht übermäßig groß, aber die meisten Objekte sind klein und die Sektionen sind dicht an dicht angeordnet. Und die Projektionen/Filme zur Astrophysik am Beginn und Ende der Ausstellungen wollen schließlich auch angeschaut werden.

Persönliche Favoriten:

  • Nackenstütze aus der Südsee (Tonga).
  • Schnitzwerke der Yoruba.
  • Die Geschichte vom Raben Yehl bei den Haida an der Nordwestküste Nordamerikas und wie sich der Rabe in den materiellen Werken wiederfinden lässt.
  • Himmelsglobus aus dem Islam (Pakistan, Ende 16./Anfang 17. Jhdt.).