Ladies First! (Sindelfingen, 2014/15)

Ausstellung: „Ladies First!“Werbebanner zu "Ladies First!"

Wo: Schauwerk, Sindelfingen

Wann: 26.10.2014 – 30.8.2015

Link: https://www.schauwerk-sindelfingen.de/de/ausstellungen/aktuelle-ausstellungen/detail_64.html

Eintritt: 8€ / 5€

Katalog: In der Ausstellung kann man für 10€ eine Art luxuriöse Broschüre zu „Ladies First!“ (einschließlich der zeitlich überlappend laufenden weiteren Ausstellung „Venusfalle“) erwerben. Dies ist kein Katalog im eigentlichen Sinne, sondern eine Abfolge kurzer, teils provokant-unterhaltsamer Texte zu einzelnen Themen bzw. Künstlerinnen der Ausstellung. Garniert wird dies mit Fotos, die Ausstellungsansichten zeigen und einen Teil der gezeigten Werke sowie die Stimmung in der Ausstellung wiedergeben. Viele der in der Ausstellung gezeigten Werke sind aber nicht abgebildet und es ist auch keine Liste der ausgestellten Werke enthalten.

 

Über die Ausstellung:
Das Schauwerk in Sindelfingen zeigt wechselnde Querschnitte aus der umfangreichen Privatsammlung Schaufler, die Kunst seit etwa 1960 sammelt. „Ladies First!“ zeigt ausschließlich Werke von Künstlerinnen, darunter umfangreiche Werkgruppen einiger der etabliertesten mitteleuropäischen Künstlerinnen der letzten 30 Jahre, etwa von Rosemarie Trockel, Sylvie Fleury, Isa Genzken, Katharina Grosse, aber auch einiger US-amerikanischer Künstlerinnen wie Jessica Stockholder. Hinzu kommen einzelne große Installationen z.B. von Barbara Kruger oder Monica Bonvicini, aber auch kleinere und „ruhigere“ Arbeiten. Insgesamt sind Werke von etwa 30 Künstlerinnen präsentiert.

Kunst + Physik:
Was ich vor Besuch der Ausstellung nicht in solchem Umfang erwartet hatte: Diese Ausstellung mit Werken ausschließlich von Künstlerinnen beinhaltet eine Vielzahl von Werken, die mit physikalischen Effekten arbeiten und von denen ich nur einige besonders deutliche aufzähle. Als Physiker gibt es hier wirklich eine ganze Menge zu entdecken!

Als erste zu nennen ist in diesem Zusammenhang Brigitte Kowanz, die mit einer beachtlichen Werkgruppe von fünf Werken prominent vertreten ist: „Morsealphabet“ (1998/2005), „Wobei die Ferne Oberhand über die Nähe gewinnt“ (2004), „Change“ (2006), „Moments“ (2007) und „Motion“ (2006). Brigitte Kowanz gehört zu den bedeutenden Vertretern der Lichtkunst. Sie ordnet (teils als Buchstaben geformte) weiße Leuchtstofflampen auf unterschiedliche Arten an oder kombiniert sie mit Spiegeln. „Licht“ und „Raum“ als typisch physikalische Themen sind somit stets präsent, aber auch allgemeinere Konzepte wie „Strukturen“ oder „Muster“ werden aufgegriffen und im Fall von „Morsealphabet“ und „Change“ geht es konkret um die mathematische Umsetzung von Sprache.

Karin Sander ist eine weitere Künstlerin, die auch aus physikalisch-naturwissenschaftlichem Blickwinkel betrachtet immer wieder fasziniert und mit vielseitigen, stets zurückhaltend wirkenden Konzepten in ihren Werken überrascht. Hier ist sie mit zwei polierten Eiern, also dem Thema „Spiegelung“ vertreten.

Rosemarie Trockel gilt als eine der profiliertesten Künstlerinnen, die sich mit der Rolle der Frau in unserer Gesellschaft auseinandersetzt. Sie war für mich bisher nur mit ihren Herdplatten-Arbeiten (von denen eine große, sehr regelmäßig angeordnete hier zu sehen ist), möglicherweise „ungewollt“, Kandidatin für „Kunst und Physik“. In der umfangreichen und vielseitigen Werkgruppe in dieser Ausstellung hat sie mich mit einer ganz anderen Arbeit überrascht: „Moving Wall 3“ (2001) arbeitet mit der Farbwahrnehmung (insbesondere von diffus gestreutem Licht) und kombiniert dies mit Raumaufteilung und mit Dimensionalität sowie mit dem statischen Gleichgewicht, also einer ganzen Reihe von physikalischen Aspekten!

Und im Untergeschoss, etwas getrennt vom Rest der Ausstellung, ist eine große Installation von Angela Bulloch zu sehen, in der es unübersehbar um Licht und Farbwahrnehmung geht, ebenfalls kombiniert mit dem „Raum“, wie ihn der Besucher begehen bzw. „ausfüllen“ kann.

Persönliche Einschätzung:
Sollte man Kunst auf Geschlechterrollen fixieren? Sollte Kunst von Frauen anders sein als die von Männern? Ich persönlich tue mich schwer damit, wenn zeitgenössische bildende Kunst zu sehr eine gesellschaftliche oder politische Botschaft vermitteln will oder wenn dies im Rahmen einer kuratierten Ausstellung nahegelegt wird. Insofern war ich etwas skeptisch, als ich den Titel der Ausstellung und ihr Konzept erstmals gelesen habe. Die Ausstellung selber gefällt mir aber auch unter diesem Blickwinkel sehr gut: Zwar sind diverse Künstlerinnen „stark“ vertreten, die die Rolle der Frau in unserer westlichen Gesellschaft deutlich aufgreifen, aber sie gehen dies in den meisten Fällen erfrischend unverkrampft an. Auch treten eine ganze Reihe der Künstlerinnen mit ihren Werken geradezu „bescheiden“ auf und können mich mit ihren klaren Konzepten oft viel stärker überzeugen als die teils zu sehr protzenden oder auftrumpfenden männlichen Kollegen in der ebenfalls zu sehenden Ausstellung „Venusfalle“.

Mit gefällt die Ausstellung nicht nur wegen der großen Anzahl faszinierender Werke, sondern auch wegen der großzügigen Präsentation: Die Ausstellungsräume haben eine interessante Konstellation (als auf modernstem Stand umgebaute ehemalige Industrie-Gebäude) und lassen auch den großformatigen Installationen viel Raum zur Entfaltung. Auch passt der nüchtern-moderne, schlicht-elegante Raumeindruck zu den teils „auf Hochglanz poliert“ wirkenden Kunstwerken. Insgesamt lohnt die aktuelle Präsentation im Schauwerk definitiv einen Ausflug in das vorörtliche Sindelfingen!

Tip für den Besuch:
Vorher die Öffnungszeiten prüfen: Das Schauwerk ist nur am Wochenende (sowie unter der Woche im Rahmen von Führungen) geöffnet. Die öffentlichen Führungen durch die Ausstellungen sind im Eintrittspreis enthalten!

Persönliche Favoriten:

  • Ganz allgemein die großzügige Präsentation der Werke.
  • Die Arbeiten von Brigitte Kowanz.
  • Die selbstbewusst auftretenden nagellackfarbigen Skulpturen von Sylvie Fleury.
  • Zwei große, an die Wand gelehnte Fotoarbeiten auf Glas von Veronika Kellndorfer, in denen es um Architektur und Raumauffassung geht.
  • Großformatige, starkfarbige abstrakte Fotografien von Christiane Richter.