Stein aus Licht. Kristallvisionen in der Kunst (Bern 2015)

Ausstellung: „Stein aus Licht. Kristallvisionen in der Kunst“

Wo: Kunstmuseum Bern

Wann: 24.4. – 6.9.2015

Link: http://www.kunstmuseumbern.ch/de/sehen/heute/492-stein-aus-licht–120.html

Eintritt: CHF 18 / CHF 14

Katalog: Im deutschen Buchhandel 39,80 €; in der Ausstellung 49 CHF. Der Katalog überrascht zunächst mit seinem Format, das kein einfaches Rechteck ist, sondern an einer Seite noch eine fünfte Kante aufweist und somit auf hübsche Weise das Thema „Kristall“ mit seinen spezifischen Geometrien und Formen aufgreift. Inhaltlich besteht der Katalog aus einer Reihe Essays zu unterschiedlichen Aspekten von „Kristallen in der Kunst“. Es folgt der Bildteil, in dem die Werke der Ausstellung abgebildet sind, aber nicht erläutert werden. Danach schließt sich ein Abschnitt mit knappen Biografien der vertretenen Künstler an, wobei in ein, zwei Sätzen die Rolle von „Kristallen“ für die jeweiligen Künstler angesprochen wird.

 

Über die Ausstellung:
Kristalle üben seit jeher eine besondere Faszination auf Menschen allgemein und Künstler im Besonderen aus. Die Ausstellung stellt unterschiedliche Aspekte der bildenden Kunst der letzten 200 Jahre dar, in denen Kristalle eine besondere Rolle spielen. Die Präsentation ist in fünf „Facetten“ aufgeteilt, die sich grob chronologisch aufteilen: „Kristalle der Ordnung, der Macht, der Liebe und des Todes“, „Der Kristall der Berge“, „Kristallbauten“, „Abstraktes Bildgestalten“ sowie „Kristalle in der Gegenwartskunst“. Häufig setzen Werke aus der eigenen Sammlung des Kunstmuseums Schwerpunkte (Wolf, Braque, Klee, Beuys), auch legt der Ort Bern eine besondere Betrachtung der Alpen innerhalb dieser Ausstellung natürlich nahe. Die Ausstellungsarchitektur im Unterschoß des Kunstmuseums spielt ein bisschen mit der Vorstellung, dass Kristalle unterirdisch, im Inneren von Bergen zu finden sind und nutzt nichtrechtwinklige Ecken, um den Eindruck von Kristall-„Facetten“ hervorzurufen.

Kunst + Physik:
„Kristalle“ sind ein physikalisches Phänomen und somit ist diese Ausstellung natürlich prädestiniert für „Kunst und Physik“. Die reine Physik spielt dabei aber eine beinah marginale Rolle: Zwar werden in der ersten Sektion mit einigen Fotos von Alfred Ehrhardt aus den 1930er Jahren, einer Reproduktion aus einem Buch von Ernst Haeckel sowie einem Computer-Programm zum „Malen“ von kristallartigen Mustern naturwissenschaftliche Aspekte angedeutet, aber nicht weiter vertieft. Es wird auch nicht explizit erläutert, was ein Kristall eigentlich ist bzw. was die unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes „Kristall“ auszeichnet.

In den nachfolgenden Sektionen wird der Zusammenhang zwischen den physikalischen Eigenschaften dessen, was umgangssprachlich unter „Kristall“ verstanden wird (z.B. ein Bergkristall) sowie den gezeigten Kunstwerken oft auf den ersten Blick deutlich, bleibt dann aber meist vage (Durchsichtigkeit, besondere Winkel, Kanten etc.) und geht nicht tiefer ins Detail.

Persönliche Einschätzung:
Die Ausstellung verdeutlicht anschaulich, wie häufig sich bildende Künstler von Kristallen bzw. ihren charakteristischen Eigenschaften haben beeinflussen lassen. Dazu werden eine ganze Reihe hervorragender Kunstwerke gezeigt. Von den fünf Sektionen können mich aber nur die mittleren drei überzeugen, wobei gerade „Kristallbauten“ auch Arbeiten zeigt, die im Mainstream-Kunstbetrieb sonst nicht zu finden sind. Der erste Abschnitt, von dem man eine Einführung in den Themenkomplex „Kristalle“ erwarten würde, wird diesem hingegen aus meiner Sicht nicht gerecht und es bleibt dem Besucher mehr oder weniger selber überlassen, die Verbindungen zu den in der übrigen Ausstellung gezeigten Werken herzustellen.

Die aus meiner Sicht stärkste Sektion „Kristallbauten“ zeigt jeweils mehrere Werke von Bruno Taut, Hans Scharoun und Wenzel Hablik. Im dann folgenden „Abstrakten Bildgestalten“ gibt es starke und schlüssige Werkgruppen von Adolf Hölzel, Lyonel Feininger, Paul Klee (incl. sein Hauptwerk „Ad Parnassum“) und Fritz Winter, wohingegen die letzte Sektion auf mich wie ein etwas unstrukturiertes Ensemble von zeitgenössischen Kunstwerken mit offensichtlichen Bezügen zu Kristallen wirkt. Insofern hatte ich mir von dieser Ausstellung in Bezug auf physikalische Aspekte sowie Verknüpfungen zwischen Naturwissenschaft und Kunst mehr erhofft. Aber dies ändert nichts daran, dass es eine angenehm unaufgeregte Ausstellung mit einer ganzen Reihe wunderbarer Kunstwerke und Werkgruppen ist.

Tip für den Besuch:
Mit der Eintrittskarte erhält man einen kleinen Führer durch die Ausstellung, der eine kurze Einführung in die fünf Abschnitte gibt und dabei auch auf einige einzelne Werke hinweist. Diese Texte sind unbedingt zu empfehlen, um die Struktur der Ausstellung und die wichtigen Hintergründe nachzuvollziehen. Die Ausstellung ist mit etwa hundert Werken mittelgroß und angenehm überschaubar.

Persönliche Favoriten:

  • Caspar David Friedrich: „Felsenriff am Meeresstrand“ (um 1824)
  • Visionäre Zeichnungen von Bruno Taut, die jeweils mindestens genauso visionäre erläuternde Texte enthalten, außerdem sein „Glasbaukasten Glasspiel Dandanah“ (um 1924)
  • Lyonel Feininger: „Eisenbahnbrücke (Umkehrung der Werte)“ (1913) und „Gaberndorf I“ (1921)
  • Augusto Giacometti: „Glaspolyeder“ (1919)
  • Gemälde von Fritz Winter