Vor einigen Wochen habe ich hier von meiner Abschätzung der Anzahl der Liebesschlösser an der Kölner Hohenzollernbrücke geschrieben, wobei ich auf die Zahl 500.000 ± 200.000 gekommen bin, also eine halbe Million Schlösser. Hier nun noch einige weitere Gedanken zu dieser Zahl:
- Diese doch recht hohe Anzahl hat mich im ersten Augenblick überrascht: Köln hat ziemlich genau eine Million Einwohner und wenn man davon ausgeht, dass zu jedem Liebesschloss zwei Menschen gehören, könnte das bedeuten, dass jeder Kölner bereits ein Schloss an der Hohenzollernbrücke angebracht hat! Das wäre insofern überraschend, da natürlich nicht jeder Mensch einen Sinn dafür hat, als Liebessymbol ein Schloss an eine Brücke zu hängen. Außerdem heißt es ja, dass es immer mehr Singles in Deutschland gibt…
Aber da die Hohenzollernbrücke inzwischen als wohl berühmtester Ort für Liebesschlösser in Deutschland so etwas wie ein Pilgerort für die entsprechend veranlagten Verliebten sein könnte, werden viele Schlösser von Auswärtigen stammen. So gibt es etwa im von mir „gezählten“ Feld mit der höchsten Schlösserdichte, dem Feld „zwischen den Bögen“, ein sehr zentral platziertes lila Schloss mit der Beschriftung „Germany 2015“, das wohl kaum von einem Kölner Paar angebracht wurde.
Und es gibt noch weitere Möglichkeiten, wie es zu mehr Schlössern pro relevanter Einwohnerzahl kommen kann: Eine einzelne Person kann natürlich auch mehrere Schlösser anbringen – mit demselben Partner oder mit unterschiedlichen…
- Eine andere interessante Frage ist: Wie viele Schlösser kommen wohl pro Tag neu hinzu?
Erstmals sind mir die Schlösser an der Hohenzollernbrücke 2009 bewusst geworden, also vor sechs Jahren, aber damals waren es viel, viel weniger als heute. Sechs Jahre „Wachstum“, jetzt 500.000 Schlösser, bei wohl zunehmender Bekanntheit (und somit steigender Tendenz des Schlösseranbringens) – daraus schätze ich grob 100.000 neue Schlösser pro Jahr ab. Das wären etwa 300 neue Schlösser pro Tag, etwa 12 pro Stunde, also alle 5 Minuten eines! Während ich auf der Brücke Schlösser gezählt habe (an einem Freitagmittag im Juni, das war wohlgemerkt ein „Brückentag“ nach einem Donnerstagsfeiertag), habe ich innerhalb von etwa 30 Minuten nur ein einziges Pärchen gesehen, das ein Schloss angebracht und danach den Schlüssel in den Rhein geworfen hat.
Ein Pärchen pro halbe Stunde würde nicht zur hohen Gesamtzahl an Schlössern führen. Also muss es Zeiten geben, zu denen mehr Paare aktiv sind. Das ist nachvollziehbar, ich würde raten, dass (spät-)abends eher „Schlösserstimmung“ herrscht. Andererseits würde ich erwarten, dass unter der Woche nachts z.B. zwischen 23 Uhr und 7 Uhr weniger Leute (oder gar keine) ein Schloss an die Brücke schließen wollen. Das heißt aber, dass zu den „Schloss-Rushhours“ noch deutlich mehr Leute aktiv sein müssten. Ich halte da eine Frequenz von einem neuen Schloss pro Minute für durchaus realistisch! Falls ich mal wieder am Wochenende in Köln übernachte, werde ich mich am Spätabend zur Hohenzollernbrücke begeben und schauen, wie dann das Schlosstreiben ist.
Und wie mag es zu Karnevalszeiten aussehen? Oder am Valentinstag?
- Eine weitere wichtige Frage ist: Was sagen andere Quellen zur Anzahl der Schlösser?
Nachdem ich mit meiner Schätzung fertig war, habe ich geschaut, ob es im Internet vergleichbare Daten gibt. Auch bei einer physikalischen Messung sollte man ja immer schauen, inwieweit das Ergebnis mit den relevanten Literaturdaten zusammenpassen könnte. Wikipedia nennt die Zahl 40.000 als Schätzung für 2011, mit Quelle „Die Zeit“. Und dann gibt es eine interessante Angabe der Bild-Zeitung, nämlich exakt 155.827 Schlösser im Oktober 2012. Diese Zählung der Schlösseranzahl habe 30 Stunden gedauert, was bedeuten würde, dass im Mittel etwa anderthalb Schlösser pro Sekunde gezählt wurden. Nach meiner Einschätzung ist eine solche „Zählfrequenz“ für eine Einzelperson durchaus machbar, aber sie wäre sicherlich hier und da fehlerbehaftet, d.h. eine Angabe der Gesamtzahl mit einer Präzision von 10-5 erscheint dann etwas „optimistisch“. Andererseits: Solange kein genauer Zeitpunkt angegeben wird, ist die Aussage, „zu irgendeinem Zeitpunkt betrug die Anzahl der Schlösser 155.837“ sehr wahrscheinlich richtig (nämlich dann, wenn nicht „im entscheidenden Moment“ mehrere Schlösser gleichzeitig aufgehängt wurden). Also lässt sich aus dieser Warte nichts gegen die sehr präzise Angabe der Bild-Zeitung einwenden. Und die ebenfalls dort genannte Zahl „10 neue Schlösser pro Stunde“ passt prima zu meiner Abschätzung von 12 neuen Schlössern pro Stunde.
- Und dann wäre noch die Frage, wie es mit den Schlössern weitergehen wird, sprich: Für wie viele Schlösser ist noch Platz?
Ein Fazit meiner „Messung“ war, dass die Schlösser sehr ungleichmäßig verteilt sind. Wenn man alle mit Schlössern zu behängenden Zaunfelder der Hohenzollernbrücke (Süd- und Nordseite) gleichmäßig mit der von mir „höchsten vorgefundenen Dichte“ (2400 Schlösser pro Feld) behängen würde, wäre das etwa eine viermal so hohe Gesamtanzahl, also zwei Millionen. Aber da die Anzahl der Schlösser pro Feld noch deutlich erhöht werden könnte (indem die Schlösser noch mehr „in den Raum“ ausgreifen), wäre auch mit dieser Zahl noch keine offensichtliche Grenze nach oben erreicht.
Im oben erwähnten Artikel der Bild-Zeitung von 2012 steht übrigens als Ausblick: „Insgesamt dürften rund 500 000 Liebesschlösser ein Plätzchen finden!“ Mit Sicht von 2015 ist diese Aussage zwar nicht falsch, denn es sind ja nun rund 500.000, aber damit herrscht noch lange kein Platzmangel für weitere Schlösser auf der Kölner Hohenzollernbrücke.