Forschungsergebnissen aus der Physik werden in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht, die mit „Peer Review“ arbeiten, einem Begriff, der im Kontext der Coronavirus-Pandemie auch in Massenmedien auftauchte, wenn es darum ging, dass bestimmte Vorveröffentlichungen eben gerade noch nicht ein Peer Review-Verfahren durchlaufen hatten. Peer Review bedeutet, dass zum jeweiligen Thema ausgewiesene Fachkollegen („Peers“) das Manuskript gelesen und seinen Inhalt geprüft haben und dass das „Paper“ erst nach erfolgreichem Abschluss dieses Begutachtungsverfahrens in der entsprechenden Zeitschrift veröffentlicht wird.
Konkret läuft dieses Verfahren typischerweise wie folgt ab: Die Autoren reichen das Manuskript bei einem Journal ein. Dessen Herausgeber („Editor“) prüft, ob das Manuskript grundsätzlich für Veröffentlichung in diesem Journal in Frage kommt. Falls ja, schickt er das Manuskript typischerweise an zwei „Reviewers“ (oder „Referees“), manchmal an drei oder in seltenen Fällen an nur einen. Diese lesen das Manuskript und schreiben eine Bewertung dazu, häufig mit Fragen und Kommentaren zu Punkten, die im Manuskript nicht rundum überzeugend präsentiert wurden. Der Editor trifft daraufhin nach dieser ersten Begutachtungsrunde eine Entscheidung für die nachfolgenden Schritte: Das Manuskript kann direkt zur Veröffentlichung angenommen werden oder auch rundum abgelehnt werden, in vielen Fällen (vermutlich in den meisten Fällen) wird aber noch keine endgültige Entscheidung gefällt, sondern die Autoren erhalten die Kommentare und Fragen der Gutachten und haben dann die Möglichkeit, das Manuskript zu überarbeiten und einen „Response Letter“ zu schreiben, in dem sie auf die Fragen und Kommentare der Gutachter eingehen. Manuskript und Response Letter werden dann vom Editor wieder an die Gutachter weitergeleitet, die beides lesen und dann wieder ihre Einschätzung abgeben. In den meisten Fällen wird nach dieser zweiten Begutachtungsrunde eine endgültige Entscheidung („zur Veröffentlichung angenommen“ oder „abgelehnt“) getroffen.
Peer Review gilt als entscheidender Prüfstein dafür, ob wissenschaftliche Ergebnisse nach jeweils aktuellem Stand der Wissenschaft verlässlich sind oder nicht. Obwohl einige Aspekte dieses Verfahren kritisch betrachtet werden können und deshalb in Wissenschaftskreisen seit Jahren diskutiert werden, ist es das etablierte Verfahren in der Physik und es ist nicht abzusehen, dass sich in naher Zukunft ein anderes, besseres Verfahren durchsetzen würde.
Ein Kernpunkt hierbei ist, dass die Gutachter „geheim“ sind: Die Autoren wissen nicht, wer die Gutachter sind, lediglich der Editor kennt deren Namen. Derartige Gutachtertätigkeit ist ein „Ehrenamt“: Wenn man dazu eingeladen wird, darf man sich geehrt fühlen, weil man vom Editor als Experte auf diesem Forschungsgebiet angesehen wird. Man führt diese Tätigkeit aber auch „für die Ehre“ aus, d.h. man wird nicht dafür bezahlt und hat auch sonst keinen direkten Vorteil davon. Somit kann man sich fragen, warum man dann überhaupt Peer Reviews verfassen möge, insbesondere, weil es über die Jahre immer mehr Journals mit immer mehr Manuskripten gibt und es damit immer mehr Anfragen nach derartigen Gutachten gibt.
Vor diesem Hintergrund hat die American Physical Society (APS) 2008 ihr „Outstanding Referees Program“ eingeführt. Die APS ist die amerikanische Fachvereinigung von Physikern und sie gibt eine Reihe verschiedener Physik-Zeitschriften heraus, die innerhalb der Physik-Welt sehr bekannt und angesehen sind. Ein Aspekt dabei ist, dass die APS ein Physik-Fachverband ist und ihre Journals nicht aus Profitinteresse betrieben werden, sondern sozusagen „als Dienst innerhalb der Physik-Gemeinschaft“. Derzeit werden APS-Zeitschriften von über 80.000 ehrenamtlichen „anonymen“ Gutachtern unterstützt und davon zeichnet die APS nun jedes Jahr ca. 150 Personen aus, die sich aus Sicht der Editors als besonders gute Referees erwiesen haben. Kriterien hierzu sind die Qualität der Gutachten, die Anzahl der Gutachten sowie wie schnell diese angefertigt wurden.
Für 2022 hat die APS auch mich als „Outstanding Referee“ ausgewählt. Ich erachte dies als große Ehre und Wertschätzung für meine Tätigkeit als Referee, in diesem Fall für die APS Journals und ich freue mich, nun auf einer beachtlichen Liste von Physikern und Physikerinnen aller Fachgebiete vertreten zu sein, die die Namen einiger von mir sehr geschätzen direkten Fachkolleginnen und Kollegen enthält sowie auch von sehr berühmten Physikern und Physikerinnen aus anderen Bereichen der Physik.