Seit zwei Jahren ist die Filmarbeit „Manifesto“ von Julian Rosefeldt ein wiederkehrendes Thema in der Kunstwelt: Hollywood-Star Cate Blanchett spricht darin Ausschnitte aus unterschiedlichen Manifesten des 20. Jahrhunderts (vorrangig aus dem Bereich Kunst, aber auch Architektur, Film, Politik). Als 13-teilige Mehrkanalvideoinstallation war „Manifesto“ bereits an verschiedenen Orten weltweit zu sehen, in Deutschland etwa in Berlin (Hamburger Bahnhof), Hannover (Sprengel Museum), Stuttgart (Staatsgalerie) und derzeit in München (Villa Stuck); inzwischen gibt es auch eine „lineare Version“, die im Kino oder Fernsehen gezeigt werden kann.
Die 13 Teilfilme konzentrieren sich jeweils auf Manifeste einer einzigen oder mehrerer verwandter Bewegungen (z.B. Futurismus; Dadaismus; Pop Art; Fluxus/Merz/Performance; Konzeptkunst/Minimalismus) und Cate Blanchett trägt diese in sehr unterschiedlichen Rollen vor, darunter als Börsenmaklerin, Puppenspielerin, Nachrichtensprecherin, konservative Mutter oder obdachloser Mann. Und eine Rolle lautet: „Wissenschaftlerin/scientist“. Hierbei begleitet man die in einen Reinraumanzug gekleidete Wissenschaftlerin durch verschiedene, sehr unterschiedliche Räumlichkeiten und hört Sätze aus Manifesten von Naum Gabo, Kasimir Malewitsch und Olga Rozanova, die dem Suprematismus bzw. Konstruktivitsmus zugehören.
Die Örtlichkeiten dieses Filmes fand ich nun als Physiker besonders interessant: Den Startpunkt, eine Außenansicht konnte ich sofort zuordnen: Die Universitätsbibliothek in Cottbus, ein spektakulärer Bau von Herzog & de Meuron, der nach seiner Eröffnung 2004 durch die Medien ging. Bereits in der nächsten Szene wird aber klar, dass sich die „Handlung“ nicht allein in diesem Gebäude abspielen kann, sondern in sehr unterschiedlichen Räumlichkeiten aufgenommen wurde. Und noch etwas später gibt es einen Ort mit eindeutig physikalischem Umfeld, man sieht die Wissenschaftlerin dann in/über der Halle mit den Experimentierstationen einer Synchrotronstrahlungsquelle (Bessy II in Berlin) entlanggehen. Weitere (wenn auch nicht zwingend mit Physik verknüpfte, sondern bei Ingenieurwissenschaften ebenso zu findende) „forschungsnahe“ Orte, die erscheinen: Ein Reinraumlabor und ein reflexionsarmer Raum.
Diese Konstellation, dass sich gerade die Figur „Wissenschaftlerin“ in einem solchen Potpourri von Räumlichkeiten bewegt und dies in einem Reinraumanzug (der nur im tatsächlichen Reinraum (das hier teils gelbbeleuchtete, sonst weißlackiert gehaltene Labor) Sinn macht, in all den anderen Szenen hingegen nicht), finde ich sehr interessant: Dienen hier all diese „exotischen“ Räume nur dazu, nicht eine reale Szene zu veranschaulichen, sondern die für Außenstehende oft unergründliche Welt der heutigen Forschung zu Naturwissenschaft und Technologie?