Publikation in Science: „Gapped magnetic ground state in quantum spin liquid candidate κ-(BEDT-TTF)2Cu2(CN)3

Das Konzept einer Quantenspinflüssigkeit geht auf Phil Anderson zurück und sagt einen speziellen magnetischen Zustand bei tiefen Temperaturen vorher. Magnetismus wird auf atomarer Ebene von sogenannten Spins verursacht, die man sich als kleine Elementarmagnete vorstellen kann. Bei einem Ferromagneten sind diese Spins alle in dieselbe Richtung (parallel) orientiert, bei einem Antiferromagneten sind benchbarte Spins gerade entgegengesetzt (antiparallel) ausgerichtet. Je nach Wechselwirkung zwischen benachbarten Spins kann ein Material z.B. ferromagnetisch oder antiferromagnetisch sein. Bei einer Quantenspinflüssigkeit gibt es zwar eine ausgeprägte Wechselwirkung zwischen den Spins, so dass man einen antiferromagnetischen Zustand bei tiefen Temperaturen („Grundzustand“) erwarten könnte. Aber durch zusätzliche Einschränkungen, etwa einer speziellen „frustrierten Geometrie“, in der die Spins im Raum lokalisiert sind, kann eine derartige antiferromagnetische Ordnung verhindert werden. Im Falle einer Quantenspinflüssigkeit bildet sich ein neuer Quantenzustand mit vielfach verschränkten Spins aus.

Seit Andersons Vorhersage aus dem Jahr 1973 werden Quantenspinflüssigkeiten in der Festkörperphysik intensiv erforscht, sowohl theoretisch als auch experimentell. Insbesondere ist die zentrale Frage, ob in realen Materialien Quantenspinflüssigkeiten existieren und wenn ja, in welcher Form, bis heute nicht geklärt. Zwar gibt es eine ganze Reihe von Materialklassen, in denen Quantenspinflüssigkeiten vermutet werden, aber da es bisher keine einzelne, experimentell zugängliche eindeutige „Signatur“ einer Quantenspinflüssigkeit gibt, könnte bisher keines dieser Materialien rundum überzeugend als Quantenspinflüssigkeit nachgewiesen werden.

Bisher galt das organische, kristalline Material κ-(BEDT-TTF)2Cu2(CN)3 als einer der aussichtsreichsten und bestuntersuchten Kandidaten für die Existenz einer Quantenspinflüssigkeit. Experimente an unserem Institut (1. Physikalisches Institut der Universität Stuttgart) unter der Leitung von Martin Dressel, bei denen wir Elektronspinresonanz ausnutzen und die vorrangig von unserem Doktoranden Björn Miksch durchgeführt wurden, zeigen nun, dass κ-(BEDT-TTF)2Cu2(CN)3 bei tiefen Temperaturen eine Energielücke für Spin-Anregungen aufweist, was bei einer Quantenspinflüssigkeit nicht der Fall sein sollte.
Die Ergebnisse dieser Studie wurden nun in der Zeitschrift Science veröffentlicht.

Orignalveröffentlichung:
Björn Miksch, Andrej Pustogow, Mojtaba Javaheri Rahim, Andrey A. Bardin, Kazushi Kanoda, John A. Schlueter, Ralph Hübner, Marc Scheffler, Martin Dressel,
Gapped magnetic ground state in quantum spin liquid candidate κ-(BEDT-TTF)2Cu2(CN)3
Science 372, 276 (2021).

Pressemitteilung der Universität Stuttgart:
Quantenspins: Und sie paaren sich doch!

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