Als im letzten Jahr durch die Medien ging, dass Gerhard Richter für die Dominikanerkirche in Münster eine große Installation mit einem Foucaultschen Pendel entworfen hat und dass die Stadt Münster beschlossen hat, diesen Entwurf realisieren zu lassen, da dachte ich mir: „Das hört sich vielversprechend an: Einmal mehr ein ganz neuer Ansatz im vielseitigen Werk dieses weltweit – und auch von mir sehr – geschätzten Künstlers. Ich bin gespannt, wie es nachher aussehen und wirken und wie lange es bis zur Realisierung dauern wird.“ Zumindest beim letzten Punkt bin ich beeindruckt: „Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel“ wurde an diesem Wochenende der Öffentlichkeit übergeben.
Mittelpunkt des Werkes ist ein großes Foucaultsches Pendel, eines der berühmtestes physikalischen Experimente überhaupt: Lässt man ein frei aufgehängtes Pendel im Schwerefeld der Erde schwingen, so dreht sich die Ebene der Pendelbewegung mit der Zeit, wenn auch sehr langsam. Diese Drehung der Schwingungsebene ist ein Nachweis der Eigendrehung der Erde. Da der gewünschte Effekt erst nach vielen Minuten deutlich wahrzunehmen ist, muss ein Foucaultsches Pendel sehr lange – am besten Stunden – ungestört schwingen können. Dies lässt sich am einfachsten mit sehr langen, schweren Pendeln verwirklichen, wobei die große Pendellänge auch große Auslenkungen erlaubt und zu einer langen Schwingungsperiode führt, was dem schwingenden Pendel einen geradezu meditativen Charakter verleiht. Das berühmteste Foucaultsche Pendel schwingt im Panthéon in Paris, wo Léon Foucault 1851 dieses Experiment publikumswirksam durchführte, das nun mit seinem Namen verbunden wird. Foucaultsche Pendel sind heute in vielen Institutionen mit naturwissenschaftlichem Bezug zur Erbauung ihrer Besucher installiert, in meinem beruflichen Kontext z.B. im Eingangsbereich des Max-Planck-Instituts für Chemische Physik fester Stoffe (MPI CPfS) in Dresden, wo es über einer speziellen Darstellung des Periodensystems der Elemente schwingt. Auch wurde in einer der grundlegenden Physik-Einführungsvorlesungen, die ich an der TU Braunschweig besucht habe, ein Foucaultsches Pendel eindrucksvoll im Vorlesungssaal präsentiert. Und das wohl bekannteste Foucaultsche Pendel Deutschlands befindet sich in einem Turm des Deutschen Museums in München, mit einer Pendellänge von 60 Metern.
In Münster lässt Gerhard Richter nun ein Pendel mit 29 Meter Länge unter der Kuppel der Dominikanerkirche schwingen und über dieses Foucaultsches Pendel einschließlich der darunterliegenden Bodenplatte wird in den Medien intensiv berichtet. Im Vergleich dazu werden die beiden anderen Komponenten des Werkes, die „zwei grauen Doppelspiegel“, in der Berichterstattung bisher viel weniger erläutert. Große Glasscheiben, ob transparent, (teil-)verspiegelt oder auf der Rückseite flächig grau, spielen im Werk von Gerhard Richter der letzten Jahre eine wichtige Rolle und ich bin sehr darauf gespannt, wie er sie mit dem raumgreifenden Pendel zu einer Gesamtinstallation in einem historischen Architekturkontext kombiniert. Also ein Grund mehr, Münster einen Besuch abzustatten!