Eine der großen Errungenschaften der italienischen Renaissane ist das Verständnis der Zentralperspektive und ihre Einführung in die bildende Kunst, wobei stets die Namen von Brunelleschi und Masaccio genannt werden, die im frühen 15. Jahrhundert in Florenz tätig waren. Ein Beispiel, wie dieses Verständnis zu späterer Zeit auf mathematisch-spielerische Art eingesetzt wurde, ist in Rom im Palazzo Spada zu erleben.
In einem der Höfe des Palazzos kann man in einen von Säulen flankierten Durchgang blicken, der zu einem weiteren Hof mit Heckenmuster und zentraler Kriegerstatue führt. Wenn man mittig davor steht, ergibt sich hierbei das gewohnte Bild eines langen Ganges und man erlebt, wie die „Fluchtlinien“ dieses Korridors sich in einem Punkt schneiden. Bewegt man sich hingegen zur Seite und schaut in den Gang, dann sehen die Säulen, die Bodenplasterung und das Tonnengewölbe seltsam schief aus. Was steckt dahinter?
Diese „galleria prospettica“ wurde 1652-1653 von Francesco Borromini errichtet, einem der bedeutendsten Architekten des Frühbarock. Borromini wurde dabei vom mathematisch versierten Augustinermönch Giovanni Maria da Bitonto unterstützt, um die gewünschte Illusion einer 35 Meter langen Kollonade zu erzielen, obwohl sie in Wirklichkeit nur knapp 9 Meter lang ist. Hierzu nähern sich die parallel wahrgenommenen Seitenwände des Gänges zu seinem Ende hin einander an und auch der Boden ist nicht waagerecht, sondern steigt an. Dies hat zur Folge, dass etwa die Säulen mit zunehmender Position im Gang hinein immer kleiner werden. Der Betrachter glaubt (vom richtigen Standpunkt aus) hingegen, dass die Säulen alle gleich groß wären und die hinteren viel weiter entfernt sein müssten (als sie tatsächlich sind), um ihre wahrgenommene geringe Größe zu erklären.
Aus meiner Sicht ist dieses bauliche Kabinettstück ein exzellentes Beispiel dafür, wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse in der Kunst angewendet werden können, bzw. konkret hier geometrisch-mathemetische in der Architektur. Und als Tourist erlebt man dies in einem wunderbar italienisch-pittoresken Innenhof mit Zitronenbäumen. Um in diesen Hof zu gelangen und die Perspektive von Nahem zu erleben (wenn man sie auch nicht betreten darf), muss man eine Eintrittskarte lösen, die auch für die Galleria Spada im ersten Obergeschoss des Palazzo gilt, deren Schwerpunkt auf italienischen Barockgemälden liegt. Ich denke, dass es in Rom zwar bedeutendere Gemäldesammlungen gibt, aber wenn man der „Perspektive“ einen Besuch abstattet, sollte man den Gang durch die vier Säle der Galleria Spada, u.a. mit beindruckenden Werken von Orazio und Artemisia Gentileschi, nicht versäumen.