Die Herstellung von Majolika-Keramiken im späten 15. sowie im 16. Jahrhundert ist ein Höhepunkt italienischen Kunsthandwerks der Renaissance. Bedeutende Werkstätten befanden sich in Mittel- und Norditalien, etwa in Urbino sowie in kleineren Orten wie Casteldurante (heute: Urbania) oder Deruta. Da derartige Majoliken Luxus-Gegenstände waren, richtete sich ihre Gestaltung an die wohlhabende, gebildete Oberschicht. Deshalb sind die Motive der Bemalung dieser Keramiken häufig mit den intellektuellen Interessen der damaligen Zeit verknüpft, angefangen von antiken Mythen über Wappen der jeweiligen Familien bis zu Idealportraits schöner Menschen. Deshalb finde ich die Darstellungen auf derartigen Majoliken häufig interessanter als jene, die man auf den in vielen Kunstmuseen vertretenen italienischen Gemälden derselben Zeit finden kann: Dabei handelt es sich nämlich fast ausschließlich um christlich-religiöse Motive oder Portraits. Szenen aus der Bibel gibt es ebenfalls auf zahlreichen Majoliken zu sehen, dann aber oft ungewöhnlichere als jene auf typischen Altargemälden. Und obendrein gibt es auch Majoliken mit Alltagsszenen, die man auf Renaissance-Gemälden eher als unauffälliges Detail im Hintergrund antreffen kann als als Hauptthema – wenn man sie denn überhaupt antrifft.
Und wenn die Motive auf derartigen kunsthandwerklichen Majoliken mit Physik zu tun haben, kann man wunderbare Beispiele für „Kunst und Physik“ antreffen, wie bei diesem Teller, welchen man im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig finden kann:
Zentral zu sehen ist ein sitzender Mann, der mit seiner linken Hand eine Armillarsphäre hält, auf der er mit seiner rechten Hand mit einem Zirkel einen Abstand auf dem Reif („Armilla“) abmisst, der die Ekliptik mit den Sternzeichen darstellt. Mittels einer Armillarsphäre kann man modellhaft die Bewegung der Gestirne zeigen und wie sie auf der Erde an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu sehen sind. Auf diesem Majolika-Teller dient die Armillarsphäre als Attribut für die Astronomie und weist den Mann somit als Astronomen aus.
Im Herzog Anton Ulrich-Museum wird dieser Teller zwischen zwei weiteren präsentiert, von denen der linke ebenfalls einen Astronomen zeigt und der rechte eine Frau als Personifikation der Astronomie, so dass man wunderbar vergleichen kann, wie „Astronomie“ in der Zeit zwischen 1560 und 1575 in der bzw. für die hochgebildete Gesellschaft Italiens dargestellt wurde. Hierbei wurde der mittlere Teller in Faenza hergestellt (Amazonen-Bottega), der rechte in Venedig von Domenico da Venezia und der linke in dessen Werkstatt.