Fragen und Antworten zu: Benin-Bronzen [diesmal nicht zu Restitution und Humboldt Forum] (2)

Nach dem ersten, allgemeineren Blog-Beitrag zu den Benin-Bronzen, Restitution und Humboldt Forum geht es in diesem zweiten Beitrag um die Objekte selbst, die derzeit in den Medien regelmäßig diskutiert werden.

  • Sind die Benin-Bronzen aus Bronze?
    Vorrangig nein. Die allermeisten sogenannten „Benin-Bronzen“ sind nicht aus „Bronze“ hergestellt. Lediglich ein kleiner Teil der Metallgüsse, die als Benin-Bronzen bekannt sind, besteht aus Legierungen, die man typischerweise als Bronze bezeichnet.
  • Was ist eigentlich Bronze?
    Bronze ist eine Legierung, also ein Metall, welches eine homogene Mischung aus mehreren Elementen ist. Konkret besteht Bronze zum Großteil aus Kupfer. Die anderen Bestandteile und deren prozentuale Anteile können sehr unterschiedlich sein. Die bekannteste Bronze-Kombination, gerade in kultur- und kunsthistorsichen Kontext, ist die Legierung von Kupfer und Zinn. Hierbei handelt es sich in historischen oder archäologischen Zusammenhängen oft um eine Zusammensetzung von ca. 90% Kupfer und dem verbleibenden Anteil vorrangig Zinn, bei „moderner Bronze“ ist die Zusammensetzung typischerweise 88% Kupfer und 12% Zinn. Bronze hat im Vergleich zu reinem Kupfer mehrere Vorteile als Werkstoff: Insbesondere ist sie härter (z.B. für Schwertern oder andere Waffen und Werkzeuge), aber sie hat auch eine niedrigere Schmelztemperatur, was bei der Gewinnung des gewünschten homogenen Materials aus den jeweiligen Rohstoffen hilfeich ist und die Verarbeitung erleichtert.
  • Welche Bedeutung hat Bronze in der Kultur- und Kunstgeschichte?
    Bronze spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung der westlichen Zivilisation. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass mit der „Bronzezeit“ eine ganze Epoche der Urgeschichte nach ihr benannt ist, die sich von Vorderasien aus über Europa ausgebreitet hat. Hierbei setzt die Verarbeitung von Bronze in Palästina gegen 3300 v.Chr. ein und erreicht Mitteleuropa gegen 2200 v.Chr., wo die Bronzezeit dann bis ca. 800 v.Chr. andauert. Die Bezeichnung „Bronzezeit“ versinnbildlicht die zentrale Bedeutung dieses Werkstoffes; die Bronzezeit folgt auf die Steinzeit (mit ihrer späten Variante der Kupfersteinzeit bzw. Kupferzeit) und wird von der Eisenzeit abgelöst, die wiederum nach zentralen Materialien benannt sind, aus denen Werkzeuge und Waffen hergestellt wurden.
    Aus Bronze wurden auch viele der bedeutendsten dreidimensionalen Kunstwerke der europäischen Kunstgeschichte geschaffen. Dies gilt für die klassische Antike, aus der zwar nur wenige Grossbronzen im Original erhalten sind, aber ein großer Anteil gerade der berühmtesten antiken Marmorskulpturen sind römische Kopien von griechischen, deutlich älteren Bronzeoriginalen. (Letztere wurde im Laufe der Jahrtausende fast vollzählig eingeschmolzen, um den Rohstoff anderweitig wiederzuverwenden.) Auch im europäischen Mittelalter spielten monumentale Bronzegüsse eine wichtige Rolle wie bei der Berwardstür und der Bernwardssäule in Hildesheim oder dem Braunschweiger Löwen. Diese Bedeutung von Bronze für großformatige öffentliche Skulpturen setzt sich dann weiter fort durch die Renaissance mit Künstlern wie Lorenzo Ghiberti und Donatello, gefolgt vom Manierismus mit Benvenuto Cellini und Adriaen de Vries und dies gilt auch in der modernen Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, wie man beispielhaft an Auguste Rodins und Henry Moores Schaffen sehen kann.
    In zahlreichen asiatischen Länder spielt Bronze kunsthistorisch ebenfalls eine herausragende Rollen, beispielsweise in China, beginnend mit den „archaischen Ritualbronzen“ (meist Gefäße) ab circa 2000 v.Chr. und bedeutenden Bronzeobjekten durch die gesamte nachfolgende chinesische Geschichte.
  • Aus welchem Material sind die Benin-Bronzen, wenn sie nicht aus Bronze bestehen?
    In der aktuellen Diskussion um „Benin-Bronzen“ geht es allgemein um kunsthandwerkliche Objekte, die am oder für den Königshof von Benin im heutigen Nigeria geschaffen wurden und von denen sich die meisten heute in westlichen Museen und Privatsammlungen befinden. Ein Großteil dieser Objekte sind Metallgüsse, aber es geht auch um herausragende Elfenbeinschnitzereien und Objekte aus Holz oder Textilien.

    „Queen Idia Mask“, Königtum Benin. (British Museum, London)
    Diese kleinformatige „Maske“ ist die wohl bekannteste Elfenbeinschnitzerei aus Benin und steht seit Jahrzehnten im Zentrum von Restitutionsforderungen.

  • Aus welchem Material sind die metallenen Benin-Bronzen?
    Ursprünglich bezieht sich der Begriff „Benin-Bronzen“ auf die Metallgüsse, die in der Zeit vom 14. bis zum 19. Jahrhundert von Mitgliedern der hierauf spezialisierten Handwerkergilde am Königshof von Benin hergestellt wurden. Die allermeisten dieser Objekte bestehen aus Metalllegierungen, die man als Messing bezeichnet. Lediglich einige der ältesten der Benin-Bronzen bestehen aus Kupfer-Legierungen, in denen Zinn nach Kupfer den zweitstärksten Anteil hat und die somit „Bronzen“ im eigentlichen Sinne sind.

    Gedenkkopf einer Königin, Königtum Benin. (Ethnologisches Museum Berlin)
    Mit einer Metallzusammensetzung von 92% Kupfer, 4% Zinn, 2% Zink und 2% Blei kann man diesen Kopf als „Bronze“ bezeichnen.

  • Was ist eigentlich Messing?
    Messing ist eine Legierung, die vorrangig aus Kupfer besteht und als zweitwichtigsten Bestandteil Zink enthält. Hierbei kann der relative Anteil von Kupfer und Zink zwischen verschiedenen Messinglegierungen recht stark variieren. Dies ist auch bei den Benin-„Bronzen“ aus Messing der Fall. So wurden bei den aus Messing bestehenden Gedenkköpfen der Berliner Benin-Sammlung Zink-Anteile festgestellt, die sich von weniger als 5% bis zu mehr als 30% erstrecken.

    Gedenkkopf eines Königs, Königtum Benin. (Ethnologisches Museum Berlin) Mit einer Zusammensetzung von 73% Kupfer, weniger als 0,25% Zinn, 23% Zink und 4% Blei ist das Metall dieses Kopfes als „Messing“ zu bezeichnen.

  • Was ist afrikanischer Gelbguss?
    Eine für bestimmte Messinglegierungen gängige Bezeichnung ist „Gelbguss“, welche die hier vorherrschende Farbe wiedergibt und diese absetzt etwa von „Rotguss“ oder auch von Bronze. (Auch in meinem persönlichen Alltag ist „Messing“ typischerweise gelblich.) Für Metallobjekte aus Afrika, die in der Technik der verlorenen Form aus Messing gegossen wurden, gibt es auch die Bezeichnung „afrikanischer Gelbguss“.
  • Was ist nun die korrekte Materialbezeichnung für die metallenen Benin-Bronzen?
    Für die meisten metallenen „Benin-Bronzen“ gilt somit, dass sie nicht aus Bronze im eigentlichen Sinne bestehen, sondern aus einer Messinglegierung. Außerdem kann man sie als afrikanischen Gelbguss bezeichnen – obwohl sie gar nicht gelb erscheinen. Inzwischen findet man als Materialangabe für Benin-Bronzen häufiger die allgemeine Bezeichnung „Kupferlegierung“, was die Frage, ob es sich im engeren Sinne um Bronze oder Messing handelt, umgeht. Diese Frage der Unterscheidung beschränkt sich übrigens nicht nur auf afrikanische Metallgüsse: Auch bei Metallobjekten der europäischen Kunstgeschichte, etwa aus dem Mittelalter, kann die Materialangabe „Bronze“ unzutreffend sein und es sich auch dort eigentlich um Messingarbeiten handeln.
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